Zur Inschrift des Kassebeerschen Hauses Von Günter Merl
Das 1566 erbaute Haus des Schlachtermeisters G. Kassebeer ist das schönste bürgerliche Renaissancebauwerk unserer Stadt. Nach C. Borchers erhielt es um 1600 eine für die Renaissance typische Utlucht, wie wir sie vom niedersächsischen Bauernhaus in der Weserberglandform kennen. Eierstab, Fischgrätenmotiv, Mäander, Rosetten, Doppelarkadenreihe (Duderstadt!) und Zahnschnitt weisen in diese Epoche.
Mit Recht macht A. Hueg darauf aufmerksam, daß die kunstgeschichtlichen Epochen beim Bürgerhaus später liegen als in der Hochkunst”. Außerdem muß regional differenziert werden. Schließlich gab es innerhalb eines Ortes ,,konservative” und „progressive” Bauherren. Berücksichtigt man diese Momente, so umfaßt in Northeim dieser Baustil etwa die Zeit von 1550-1650.
Aus dem Lebensgefühl der Renaissance heraus ist die nicht ganz einfach zu lesende Inschrift des Hauses Breite Straße 37 zu verstehen: DRINCK VND ETH GODES NICHT VORGET BEWAR DINE ERHE DICK WIRT NICHT MERHE DAN UMME VND AN DAR MITH DAVAN
A. Hueg gibt folgende Deutung dieses Spruches: Trink und iẞ! Gottes nicht vergiẞ! Bewahr Deine Ehre! Dir wird nichts weiter (in das Grab mitgegeben) als das, Was Du um und an hast. Damit mußt Du von der Erde scheiden.
O. Fahlbusch bietet eine abweichende Übertragung, deren zweite Hälfte wenig überzeugend ist: Trink und iẞ, Gottes nicht vergiẞ, Bewahre Deine Ehr, Die wird nicht mehr, Als um und dran, Damit oder davon ist.
Das DICK des Textes ist von Hueg richtig mit dem Personalpronomen „dir” wiedergegeben, während Fahlbusch das Relativpronomen „die“ darin vermutet. Dadurch versperrt er sich den Weg zu einer Sinndeutung des zweiten Teils der Inschrift.